Mütter sind die Blühstreifen unter den Menschen

Wir sind gut für unsere Umwelt und tragen dazu bei, dass die Welt an jedem Tag ein kleines Stückchen lebenswerter werden kann, ohne dabei am System etwas zu ändern!

Aber weil es uns gibt, also die Mütter UND die Blühstreifen, muss man sich ansonsten keine Gedanken mehr machen. Auch nicht um das allgemeine Wohlbefinden oder die durchaus berechtigten Ansprüche beider, die es in sehr unterschiedlicher Ausprägung gibt.

Manche Blühstreifen/Mütter werden wahre Prachtexemplare, was in der Regel an den guten Ausgangsbedingungen liegt, andere gedeihen eher spärlich, werden dafür aber an DEM einen Tag im Jahr beachtet. Die spärlichen Blühstreifen an dem Tag, wo sie mangels Erfolg einfach umgepflügt und sie ersetzt werden, die Mütter aller Facetten dann am zweiten Sonntag im Mai.

Es ist Muttertag!

Vielleicht bin ich noch nicht alt genug, um zu würdigen, dass mir an diesem Tag unaufgefordert Blumen und gebasteltes überreicht wird und am besten noch alle Kinder zum Mittagessen kommen? Vielleicht weitet sich im Alter die Resignation darüber aus, dass am Ende doch Frauen den Mammut -Anteil der Haus-und Familienarbeit wuppen? Und das dann an DEM einen Tag auch mal gewürdigt wird?

Der Anteil der Männer, die täglich kochen oder Hausarbeit verrichten liegt europaweit bei 34 Prozent, während es bei den Frauen 79 Prozent sind. In Deutschland liegen die Männer bei 29, die Frauen bei 72 Prozent.

Ich bin 56 Jahre und sechs Kinder alt und weiß- da kann man nichts machen. Je älter die Blagen werden, umso mehr Arbeit bleibt an den Eltern ( Vater 28%/ Mutter 72 %) hängen. „Keine Zeit, ey!“

In meinem Fall liegt es nicht am mangelnden Bemühen. Wir haben jahrelang mit dezidierten Hausarbeitsplänen Aufgaben verteilt und eingefordert. Gelobt und auch bestraft. Ergebnis? „Mache ich später, ich muss jetzt los!“

Ein Kind war sogar so findig, erstmal keinen Führerschein zu machen. „Ich will hier schließlich nicht der Einkaufssklave sein!“ Der Einkauf wird natürlich trotzdem erledigt, meistens von meinem Mann, denn dazu habe ich wirklich nicht auch noch Zeit!

Im Sinne guter elterlicher Gleichstellungserziehung ist es zum Glück so, dass bei uns die Töchter (immerhin 50% der Kinder) ganz genauso unwillig sind, sich für die Familienarbeit zu engagieren, wie die Jungs, an denen seit 2 Jahren „alles hängenbleibt“, weil die Mädchen schon ausgezogen sind.

Zum Glück bin ja ich noch da, der Blühstreifen der Familie! Und darum muss sich niemand Sorgen machen: „Läuft bei uns!“

Ich schaffe es tatsächlich und habe Zeit, meine 72% zu erledigen. Und das, obwohl ich auch oft „los muss“, berufstätig bin, mein kommunalpolitische Mandat ernst nehme und gelegentlich sogar noch Anteile von den anderen 29% des männlichen Hausarbeitsanteils übernehme, weil auch mein Mann immer wieder „los muss“ oder grade „erstmal eine Pause“ braucht.

Mathematisch betrachtet ist das auch unproblematisch, denn wenn Frauen 79% der Arbeit erledigen und Männer 29%, dann sind bei den Männern ja auch gar nicht mehr alle Aufgaben da, die zu erledigen wären- 79% + 29% sind schließlich 108 %!

Das erinnert ein wenig an die Berechnungen zur Unterrichtsversorgung, wo angeblich auch über 108% Versorgung gegeben ist, aber am Ende zu wenig Unterricht stattfindet. Aber ich will nicht abschweifen.

Ich will mich beklagen.

Für das, was ich alltäglich leiste, will ich nicht mit einem gesellschaftlich verordneten Blumenstrauß abgespeist werden, an den ich mich dann später voller Wehmut erinnere, wenn ich mich in der für Frauen durchaus absehbaren Situation von Altersarmut befinde.
Weil ich zwar in der Familienphase total reingehauen habe, mich für die Gesellschaft über die Familie hinaus auch engagiert und sogar nebenbei noch professionell beschäftigt habe, um mir EIGENE Rentenansprüche zu erwerben, aber irgendwie doch nicht so recht auf die erforderlichen Versicherungszeiten komme oder richtig toll Karriere gemacht hätte, die man auch im Lebenswandel spüren könnte.

Lieber wäre mir, wir, die Blühstreifen der Gesellschaft würden in der Form anerkannt, wie es unsere Gesellschaft am liebsten hat- mit Geld.

Mit Rentenanteilen für Kindererziehung, die auch dem Aufwand entsprechen, den das macht, so ein Kind oder auch mehrere (manche hören einfach nicht, was die Vernunft zu ihnen spricht) bis zum Ende seiner Ausbildung (hoffentlich wollen nicht alle studieren?) zu pflegen, zu erziehen, bilden und auch zu unterhalten.

Den oft an dieser Diskussionsstelle eingebrachte Einwand, dafür gäbe es doch das Kindergeld, finde ich immer wieder irritierend, denn tatsächlich ist es eine Herausforderung, ein Kind samt seiner Kosten vom Kindergeld durchzubringen, das bedauerlicher Weise auch am Ende des Studiums, ab 25, schon nicht mehr gezahlt wird (Warum eigentlich nicht?) und wenn ich vom Kindergeld auch meine private, ergänzende Altersvorsorge finanzieren sollte (ich soll ja als Frau privat etwas zurücklegen!), dann ist das Eis schon ganz schnell dünn.

Am Ende meiner aktiven Blühstreifen/Mutterphase werde ich, wenn es weiter so gut läuft, zu dieser Gesellschaft neben meiner eigenen Leistung am Bruttosozialprodukt eine Archäologin, eine Künstlerin, eine Pädagogin, einen Dachdecker, einen Polizisten und einen Architekten beigetragen haben. Und dafür mit 2,5 Jahren für das erste Kind (ist vor 1992 geboren und darum weniger wert!) und 3 mal 3 Jahre Kindererziehungszeiten bei meiner „Mütterrente“ entlohnt. Für Kind fünf und sechs bekomme ich nichts, denn das sind die Kinder meines Mannes. Halbwaisen. Wenn man sich um die kümmert, dann hat man eben Pech gehabt.

Ja, aber das mache ich ja nicht alles alleine!

Stimmt. Aber nicht nur die 79%/29%- Verteilung der Arbeitsbelastung der Carework (wir sagen nicht mehr Hausarbeit, das klingt so… naja) zeugen von einer Schieflage: Mein Mann hat als Beamter trotz der Mehrbelastung durch Carework ( 29%) als Beamter immer Vollzeit gearbeitet, während ich satte 30 Jahre Teilzeit auf dem Buckel habe. Und morgens die bin, die eben noch den Haushalt macht, bevor sie aus dem Haus geht, den Hund ausführt und in der Mittagspause bügelt.

Aber ich wollte doch die Kinder?

Ja. Auch wenn ich zugebe, dass sie mir manchmal mächtig auf die Nerven gehen- ich wollte die Kinder. Und ich bin froh, dass ich sie alle habe. Aber mit Mutterstolz alleine kann ich mir das Brot nicht belegen. Und ich bin das Gerede satt, man würde ja schon so viel für Familien tun, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und solchen Dingen… Es ist KEINE Alternative, einfach keine Kinder zu haben. Die Gründe dafür sind selbsterklärend.

Ich finde die Erwartungshaltung der Gesellschaft an Frauen sehr belastend und wenig wertschätzend.
Vielleicht ändert sich das eines Tages, wenn mehr Frauen mitreden und mitentscheiden, wofür in unserem Land Geld ausgegeben wird.

Dafür engagiere ich mich, menschlich, politisch und gesellschaftlich. Und dafür will ich keine Blumen am Muttertag, sondern eine leistungsgerechte Entlohnung.

Was mir aber wirklich Sorgen macht, ist die Sache mit dem Unwillen zur Carework bei meinen Kindern. Gut auf der einen Seite, denn es ist zu erwarten, dass meine Töchter gänzlich darauf verzichten, ihre Lebenszeit mit Carework zu füllen und stattdessen „ihr Ding“ durchziehen. Und sollte es im schlimmsten Falle zur Familiengründung kommen, dann werden diese Carework-ablehnenden jungen Frauen darauf bestehen, dass sich jemand anderes darum kümmert.

Ja und die Jungs?

Die werden irgendwann erstaunt feststellen, dass die auserwählte Partnerin kein Blühstreifen und nicht bereit ist, Eigenständigkeit und Beruf komplett hinten anzustellen, um selbst zum Blühstreifen zu mutieren. Aber wer kümmert sich dann, wenn beide Eltern das tun, was man von ihnen erwartet? Nämlich Familie und Beruf originell unter einen Hut zu bringen. Wer von beiden steht dann, so wie ich, um 5.30 Uhr auf, wenn die Familie noch ruht, um auch die Zeit dafür zu haben auf die 79% zu kommen? Verzichtet jahrelang und sorgt dafür, dass da ist, was es außer Geld noch braucht, um Kinder großzuziehen, den Haushalt zu managen, alle Sorgen zu teilen, die Gesellschaft aufrecht zu erhalten und sich zu kümmern?

Jeder zu 50 %?

Viele junge Eltern sind heute bereits damit überfordert und immer mehr Familien brauchen Unterstützung. Wäre es nicht besser und gerechter, man würde diejenigen entlohnen, die das leisten, statt immense Summen aufbringen zu müssen, um Kinder in Obhut zu nehmen und Familien professionell zu unterstützen? Der Familienarbeit endlich den Stellenwert zu geben, den sie braucht, um zu funktionieren?

Der Muttertag muss politischer werden, um etwa zu ändern. Alle Blühstreifen der Gesellschaft sollten sich zusammenfinden und in Kundgebungen einfordern, was Recht sein sollte…

Stattdessen bekommen wir am Sonntag wieder Blumen und Gebasteltes. Das ist schön, aber es reicht nicht aus.